Chap. 05
5. kapitola Schwejk auf dem Polizeikommissariat in der Salmgasse
→SCHWEIK AT THE COMMISSARIAT OF POLICE
Auf die schönen sonnigen Tage im Irrenhaus folgten für Schwejk Stunden voller Nachstellungen.
→Schweik’s bright sunny days in the asylum were followed by hours laden with persecution.
Polizeiinspektor Braun arrangierte die Begegnungsszene mit Schwejk mit der Grausamkeit römischer Henkersknechte aus der Zeit des reizenden Kaisers Nero.
→Police Inspector Braun, as brutally as if he were a Roman hangman during the delightful reign of Nero,
»Steckt ihn hinters ›Katr‹!« sagte Inspektor Braun:
→Police Inspector Braun, said: “Shove him in clink.”
Kein Wort mehr und kein Wort weniger.
→Not a word more or less.
Nur die Augen des Herrn Polizeiinspektors Braun leuchteten dabei in einer sonderbaren perversen Wollust.
→But as he said it, the eyes of Inspector Praun shone with a strange and perverse joy.
In der Separation auf der Pritsche saß ein melancholischer Mann.
→In the cell a man was sitting on a bench, deep in meditation.
Er saß apathisch da, und seinem Äußeren merkte man an, dass er beim Kreischen der Schlüssel in der Tür der Separationszelle nicht daran glaubte, dass sich für ihn die Tür zur Freiheit öffnen könnte.
→He sat there listlessly, and from his appearance it was obvious that when the key grated in the lock of the cell he did not imagine this to be the token of approaching liberty.
»Kompliment, Euer Gnaden«, sagte Schwejk, während er sich zu ihm auf die Pritsche setzte, »wieviel Uhr kanns beiläufig sein?«
→“Good-day to you, sir,” said Schweik, sitting down by his side on the bench. “I wonder what time it can be?”
Der ernste Mann antwortete nicht, stand auf und fing an, rasch in dem kleinen Raum zwischen Tür und Pritsche auf und ab zu gehen, als hätte er Eile, etwas zu retten.
→The solemn man did not reply. He stood up and began to walk to and fro in the tiny space between door and bench, as if he were in a hurry to save something.
Schwejk betrachtete inzwischen mit Interesse die auf die Wände gekritzelten Inschriften.
→Schweik meanwhile inspected with interest the inscriptions daubed upon the walls.
Da gab es eine Inschrift, in der ein unbekannter Arrestant einen Kampf mit der Polizei auf Leben und Tod gelobte.
→There was one inscription in which an anonymous prisoner had vowed a life-and-death struggle with the police.
Der Text lautete: »Ihr werdet es euch auslöffeln.«
→The wording was : “ You won’t half cop it.”
Ein anderer Arrestant hatte geschrieben:
→Another had written :
»Steigt mir am Buckel, Hornochsen.«
→“ Rats to you, fatheads.”
Ein anderer Arrestant hatte geschrieben:
→Another merely recorded a plain fact:
»Ich bin hier am 5. Juni 1913 gesessen, und man ist anständig mit mir verfahren.
→“I was locked up here on June 5, 1913, and got fair treatment.”
Daneben hatte irgendeine poetische Seele Verse geschrieben:
→Next to this some poetic soul had inscribed the verse :
»Ich sitz traurig an dem Bache, am Himmel zeigt sich schon der Mond, und blicke auf die dunklen Berge, wo mein teures Schätzchen wohnt.«
→I sit in sorrow by the stream. The sun is hid behind the hill. I watch the uplands as they gleam, where my beloved tarries still.
Der Mann, der zwischen Tür und Pritsche auf und ab lief, als wollte er den Marathonlauf gewinnen, blieb stehen, setzte sich abgehetzt wieder auf seinen alten Platz, legte das Haupt in die Hände und brüllte plötzlich auf:
→The man who was now running to and fro between door and bench came to a standstill, and sat down breathless in his old place, sank his head in his hands and suddenly shouted :
»Lassts mich heraus!
→“Let me out!”
Nein, sie lassen mich nicht frei«, redete er vor sich hin, »sie lassen mich nicht und nicht frei.
→Then, talking to himself: “No, they won’t let me out, they won’t, they won’t.
Ich bin schon seit sechs Uhr früh hier.«
→I’ve been here since six o’clock this morning.”
Er bekam einen Anfall von Mitteilsamkeit, richtete sich auf und fragte Schwejk:
→He then became unexpectedly communicative. He rose up and inquired of Schweik :
»Haben Sie nicht zufällig einen Riemen bei sich, damit ich Schluss mache?«
→“You don’t happen to have a strap on you so that I could end it ah?”
»Damit kann ich Ihnen herzlich gern dienen«, antwortete Schwejk, während er seinen Riemen abknöpfte, »ich hab noch nie gesehen, wie sich Leute in der Separation auf einem Riemen aufhängen.
→“Pleased to oblige,” answered Schweik, undoing his strap. “I’ve never seen a man hang himself with a strap in a cell.”
Es is nur ärgerlich«, fuhr er fort, indem er umherblickte, dass kein Haken hier is.
→ “It’s a nuisance, though,” he continued, looking round about, “that there isn’t a hook here.
Die Klinke am Fenster wird Sie nicht erhalten.
→ The bolt by the window wouldn’t hold you.
Ich habe Kinderchen, ich bin hier wegen Trunkenheit und unsittlichem Lebenswandel« usw. ohne Unterlass.
→I’ve got children ! Heavens above, my poor wife ! What will they say at the office? I’ve got children!” and so ad infinitum.
Ich hab Selbstmörder sehr gern, also nur lustig ans Werk.« Der düstere Mann, dem Schwejk den Riemen zusteckte, schaute den Riemen an, schleuderte ihn in einen Winkel und begann zu weinen, wobei er die Tränen mit den schwarzen Händen verschmierte und folgende Schreie aus sich hervorstieß:
→The gloomy man into whose hands Schweik had thrust the strap looked at it, threw it into a comer and burst out crying, wiping away his tears with his grimy hands and yelling the while.
Zum Schluss beruhigte er sich doch ein bisschen, ging zur Tür und begann in sie zu stoßen und mit den Fäusten auf sie zu trommeln.
→At last, however, he calmed down a little, went to the door and began to thump and beat at it with his fist.
Hinter der Tür ließen sich Schritte vernehmen, und eine Stimme ertönte:
→ From behind the door could be heard steps and a voice :
»Was wolln Sie?«
→“What do you want?”
»Lassts mich heraus!« sagte er mit einer Stimme, als bliebe ihm keine Lebenshoffnung mehr.
→“Let me out,” he said in a voice which sounded as if he had nothing left to live for.
»Wohin?« ertönte es fragend von der andern Seite.
→“Where to?” was the answer from the other side.
»Ins Amt«, entgegnete der unglückliche Vater, Gatte, Beamte, Säufer und Lüstling. -“To my office,” replied the imhappy father. Amid the stillness of the corridor could be heard laughter, dreadful laughter, and the steps moved away again.
»Mir scheint, der Polizist hasst Sie, dass er Sie so auslacht«, sagte Schwejk, während der hoffnungslose Mann sich wieder neben ihn setzte.
→“It looks to me as if that chap ain’t fond of you, laughing at you like that,” said Schweik, while the desperate man sat down again beside him.
»So ein Polizist, wenn er Wut hat, kann vieles machen, und wenn er noch größere Wut kriegt, is alles imstand.
→ “Those policemen are capable of anything when they’re in a wax.
Sitzen Sie nur ruhig, wenn Sie sich nicht aufhängen wolln, und warten Sie, wie die Dinge sich entwickeln.
→ Just you sit down quietly if you don’t want to hang yourself, and see how things turn out.”
Auf dem Gang wurden schwere Tritte laut, der Schlüssel rasselte im Schloss, die Tür wurde weit geöffnet, und ein Polizist rief Schwejks Namen.
→After a long time heavy steps could be heard in the passage, the key grated in the lock, the door opened and the police officer called Schweik.
»Entschuldigen Sie«, sagte Schwejk ritterlich, »ich bin hier erst seit zwölf Uhr mittag, aber dieser Herr is schon seit sechs Uhr früh hier.
→“Excuse me,” said Schweik chivalrously, “I’ve only been here since twelve o’clock, but this gentleman’s been here since six o’clock this morning.
Ich habs nicht so eilig.«
→And I’m not in any hurry.”
Anstelle einer Antwort wurde Schwejk von der starken Hand des Schutzmannes auf den Gang gezogen, der ihn schweigend über die Treppe in den ersten Stock hinaufführte.
→There was no reply to this, but the police officer’s powerful hand dragged Schweik into the corridor, and conveyed him upstairs in silence to the first floor.
Im zweiten Zimmer saß am Tisch der Polizeikommissär, ein dicker Herr von gutmütigem Äußeren, der zu Schwejk sagte:
→In the second room a commissary of police was sitting at a table. He was a stout gentleman of good-natured appearance. He said to Schweik :
»Also Sie sind der Schwejk?
→“So you’re Schweik, are you?
Und wie sind Sie hergekommen?«
→And how did you get here?”
»Auf die einfachste Art«, entgegnete Schwejk,
→“As easy as winking,” replied Schweik.
»ich bin in Begleitung eines Polizisten gekommen, weil ich mir nicht hab gefalln lassen wolln, dass man mich ausm Irrenhaus ohne Mittagmahl herauswirft.
→“I was brought here by a police officer because I objected to them chucking me out of the lunatic asylum without any lunch.
Das kommt mir so vor, wie wenn man mich für ein Straßenmädl halten möcht.«
→ What do they take me for, I’d like to know?”
»Wissen Sie was, Schwejk«, sagte der Herr Kommissär freundlich, »wozu solln wir uns hier in der Salmgasse mit Ihnen ärgern?
→“I’ll tell you what, Schweik,” said the commissary affably. “ There’s no reason why we should be cross with you here. Wouldn’t it be better if we sent you to the police headquarters?”
»Sie sind, wie man zu sagen pflegt, Herr der Situation«, meinte Schwejk zufrieden, »jetzt gegen Abend auf die Polizeidirektion gehn, is ein ganz angenehmer kleiner Spaziergang.«
→“You’re the master of the situation, as they say,” said Schweik contentedly. “From here to the police head- quarters’s be quite a nice little evening stroll.”
»Das freut mich, dass wir uns geeinigt haben«, sagte der Polizeikommissär lustig, »ist es nicht besser, wenn wir uns verständigen, Schwejk?«
→“I’m glad to find that we see eye to eye in this,” said the commissary cheerfully. “You see how much better it is to talk things over, eh, Schweik?”
»Ich berat mich auch mit jedem sehr gern«, erwiderte Schwejk, »glauben Sie mir, Herr Kommissär, ich wer Ihnen nie Ihre Güte vergessen.«
→“It’s always a great pleasure to me to have a little confab with anyone,” replied Schweik. “I’ll never" forget your kindness to me, your worship, I promise you.”
Mit einer ehrerbietigen Verbeugung ging er mit dem Polizisten hinunter zur Wachstube, und eine Viertelstunde später konnte man an der Ecke der Gerstengasse und des Karlsplatzes Schwejk in Begleitung eines zweiten Polizisten sehen, der unter der Achsel ein umfangreiches Buch mit der deutschen Aufschrift »Arrestantenbuch« trug.
→With a deferential bow and accompanied by the police officer he went down to the guard room, and within a quarter of an hour Schweik could have been seen in the street under the escort of another police officer who was carrying under; his arm a fat book inscribed in German : Arrestantenbuch.
An der Ecke der Brenntegasse stießen Schwejk und sein Begleiter auf eine Menschenmenge, die sich um ein Plakat drängte.
→At the corner of Spálené Street Schweik and his escort met with a crowd of people who were jostling round a placard.
»Das ist das Manifest Seiner Majestät des Kaisers über die Kriegserklärung«, sagte der Schutzmann zu Schwejk.
→“That’s the Emperor’s proclamation to say that war’s been declared,” said the policeman to Schweik.
»Ich habs vorausgesagt«, sagte Schwejk, »aber im Irrenhaus wissen sie noch nichts davon, obzwar sies aus erster Hand haben sollten.«
→I saw it coming,” said Schweik, “but in the asylum they don’t know anything about it yet, although they ought to have had it straight from the horse’s mouth, as you might say.”
»Wie meinen Sie das?« fragte der Schutzmann Schwejk.
→“How do you mean?” asked the policeman.
»Weil dort viele Herren Offiziere eingesperrt sind«, erklärte Schwejk, und als sie auf eine neue Gruppe stießen, die sich vor dem Manifest drängte, schrie er laut:
→“Because they’ve got a lot of army officers locked up there,” explained Schweik, and when they reached a fresh crowd jostling in front of the proclamation, Schweik shouted :
»Heil Kaiser Franz Josef! Diesen Krieg gewinnen wir!«
→‘ Long live Franz Josef. We’ll win this war ! ’”
Jemand aus der begeisterten Menge drückte ihm den Hut über die Ohren, und so trat der brave Soldat Schwejk, von einer Menschenmenge umringt, wiederum in das Tor der Polizeidirektion.
→Somebody from the enthusiastic crowd banged his hat over his ears and so, amid a regular concourse of people, the good soldier Schweik once more entered the portals of the police headquarters.
»Wir gewinnen den Krieg ganz bestimmt, ich wiederhols nochmals, meine Herren!«, mit diesen Worten verabschiedete sich Schwejk von der Menge, die ihn begleitete.
→“We’re absolutely bound to win this war. Take my word for it, gentlemen,” and with these few remarks Schweik took his leave of the crowd which had been accompanying him.