Chap. 04
– Schwejks Hinauswurf aus dem Irrenhaus
→SCHWEIK IS EJECTED FROM THE LUNATIC ASYLUM
Wenn Schwejk später sein Leben im Irrenhaus schilderte, geschah dies unter ungewöhnlichen Lobpreisungen:
→When Schweik later on described life in the lunatic asylum, he did so in terms of exceptional eulogy: “The life there was a fair treat.
Überhaupt hat man dort gelebt wie im Paradies.
→ “The life there was a fair treat.
Man kann dort schrein, brüllen, singen, weinen, meckern, stöhnen, springen, beten, Purzelbäume schlagen, auf allen vieren gehn, auf einem Fuß hüpfen, im Kreis laufen, tanzen, den ganzen Tag auf der Erde kauern und auf den Wänden kriechen.
→You can bawl, or yelp, or sing, or blub, or moo, or boo, or jump, say your prayers or turn somersaults, or walk on all fours, or hop about on one foot, or run round in a circle, or dance, or skip, or squat on your haunches all day long, and climb up the walls.
Wie ich sag, sehr hübsch wars dort, und die paar Tage, die ich im Irrenhaus verbracht hab, gehören zu den schönsten meines Lebens.«
→I liked being in the asylum, I can tell you, and while I was there I had the time of my life.”
Und wirklich, schon der Empfang selbst, der Schwejk im Irrenhaus zuteil geworden war, als man ihn vom Strafgericht zur Beobachtung einlieferte, übertraf seine Erwartungen.
→And, in good sooth, the mere welcome which awaited Schweik in the asylum, when they took him there from the central criminal court for observation, far exceeded anything he had expected.
Zuerst führte ihn ins Bad.
→First of all they took him to have a bath.
Im Badezimmer steckte man ihn in eine Wanne mit warmem Wasser, zog ihn dann heraus und stellte ihn unter eine kalte Dusche.
→In the bathroom they immersed him in a tub of warm water and then pulled him out and placed him under a cold douche.
Das wiederholte man dreimal, und dann fragte man ihn, wie ihm das gefalle.
→They repeated this three times and then asked him whether he liked it.
Schwejk sagte, dass das angenehmer sei als in dem Bad bei der Karlsbrücke und dass er sehr gern bade.
→Schweik said that it was better than the public baths near the Charles Bridge and that he was very fond of bathing.
»Wenn Sie mir noch die Nägel und die Haare schneiden wern, so wird mir nichts zu meinem vollkommenen Glück fehln«, fügte er lächelnd und liebenswürdig hinzu.
→ “If you’ll only just cup my nails and hair. I’ll be as happy as can be,” he added, smiling affably.
Auch dieser Wunsch wurde erfüllt, und nachdem sie ihn noch gründlich mit einem Schwamm abgerieben hatten,
→They complied with this request, and when they had thoroughly rubbed him down with a sponge,
wickelten ihn die Wärter in ein Leintuch und trugen ihn in die erste Abteilung ins Bett, wo sie ihn niederlegten, mit einer Decke zudeckten und ihn einzuschlafen baten.
→they wrapped him up in a sheet and carried him off into ward No. 1 to bed, where they laid him down, covered him over with a quilt, and told him to go to sleep.
Und er schlief auch glücklich im Bett ein.
→And so he blissfully fell asleep on the bed.
Dann weckte man ihn, um ihm einen Topf Milch und eine Semmel vorzusetzen.
→Then they woke him up to give him a basin of milk and a roll.
Die Semmel war bereits in kleine Stückchen zerschnitten, und während einer von den Wärtern Schwejk an beiden Händen hielt, tunkte der andere die Semmelstückchen in die Milch und fütterte ihn, wie man eine Gans mit Stopfnudeln füttert.
→The roll was already cut up into little pieces and while one of the keepers held Schweik’s hands, the other dipped the bits of roll into milk and fed him as poultry is fed with clots of dough for fattening.
Als er eingeschlafen war, weckten sie ihn und führten ihn ins Ordinationszimmer, wo Schwejk, völlig nackt vor zwei Ärzten stehend, der glorreichen Zeit seiner Assentierung [österr. für: Einberufung zum Militär] gedachte.
→After he had gone to sleep again, they woke him up and took him to the observation ward where Schweik, standing stark naked before. Two doctors, was reminded of the glorious time when he joined the army.
»Machen Sie fünf Schritte nach vorn und fünf Schritte zurück.«
→“Take five paces forward and five paces to the rear,” remarked one of the doctors.
Schwejk machte zehn.
→Schweik took ten paces.
»Ich habe Ihnen doch gesagt«, sagte der Arzt, »Sie solln fünf machen.«
→“I told you,” said the doctor, “to take five.”
»Mir kommts auf paar Schritte nicht an«, sagte Schwejk.
→“A few paces more or less don’t matter to me,” said Schweik.
Hierauf forderten ihn die Ärzte auf, er möge sich auf einen Stuhl setzen, und einer klopfte ihm auf die Knie.
→Thereupon the doctors ordered him to sit on a chair and one of them tapped him on the knee.
Dann sagte er zu dem andern, dass die Reflexe vollständig normal seien, worauf der zweite den Kopf schüttelte und Schwejk selbst auf die Knie zu klopfen begann, während der erste Schwejks Augenlider emporhob und seine Pupillen untersuchte.
→ He then told the other one that the reflexes were quite normal, whereat the other wagged his head and he in his turn began to tap Schweik on the knee, while the first one Lifted Schweik’s eyelids and examined his pupils.
Dann gingen sie zum Tisch und warfen ein paar lateinische Ausdrücke hin.
→Then they went off to a table and bandied some Latin phrases.
Einer von ihnen stellte an Schwejk die Frage:
→One of them asked Schweik :
»Wurde Ihr Geisteszustand bereits einmal geprüft?«
→“Has the state of your mind ever been examined?”
»Beim Militär«, antwortete Schwejk feierlich und stolz, »bin ich von den Herren Militärärzten amtlich für einen notorischen Idioten erklärt worn.«
→“In the army,” replied Schweik solemnly and proudly, “the military doctors officially reported me as feeble-minded.”
»Mir scheint, Sie sind ein Simulant!« schrie der zweite Arzt Schwejk an.
→“It strikes me that you’re a malingerer,” shouted one of the doctors.
»Ich, meine Herren«, verteidigte sich Schwejk, »bin kein Simulant, ich bin ein wirklicher Idiot, Sie können sich darüber in der Kanzlei der Einundneunziger in Budweis oder beim Ergänzungskommando in Karolinenthal erkundigen.«
→“ Me, gentlemen? ” said Schweik deprecatingly. “ No, I’m no malingerer, I’m feeble-minded, fair and square. You ask them in the orderly room of the 91st regiment or at the reserve headquarters in Karlin.”
Der ältere von den Ärzten winkte hoffnungslos mit der Hand und sagte, auf Schwejk weisend, zu den Wärtern:
→The elder of the two doctors waved his hand with a gesture of despair and pointing to Schweik said to the keepers:
»Diesem Mann da geben Sie seine Kleider zurück, und bringen Sie ihn in die dritte Klasse auf den ersten Korridor, dann kommt einer zurück und trägt alle Dokumente über ihn in die Kanzlei.
→“Let this man have his clothes again and put him into Section 3 in the first passage. Then one of you can come back and take all his papers into the office.
Und sagen Sie dort, dass mans bald erledigen soll, damit wir ihn hier nicht lang auf dem Hals haben.«
→And tell them there to settle it quickly, because we don’t want to have him on our hands for long.”
Die Ärzte warfen noch einen niederschmetternden Blick auf Schwejk, der ehrerbietig rücklings zur Tür zurückwich, wobei er sich höflich verneigte.
→ The doctors cast another crushing glance at Schweik, who deferentially retreated backward to the door, bowing with unction all the while.
Von dem Augenblick, wo die Wärter den Befehl erhalten hatten, Schwejk seine Kleider zurückzugeben, wandten sie ihm nicht mehr die geringste Sorgfalt zu.
→From the moment when the keepers received orders to return Schweik’s clothes to him, they no longer show'ed the slightest concern for him.
Sie befahlen ihm, sich anzukleiden, und einer führte ihn in die dritte Klasse, wo er während der paar Tage, deren es bedurfte, um in der Kanzlei seinen schriftlichen Hinauswurf durchzuführen, Gelegenheit hatte, hübsche Beobachtungen zu machen.
→They told him to get dressed, and one of them took him to Ward No. 3 where, for the few days it took to complete his written ejection in the office, he had an opportunity of carrying on his agreeable observations.
Die enttäuschten Ärzte gaben ihm das Gutachten mit auf den Weg, dass er ein »Simulant von schwachem Verstand sei«, und weil man ihn vor dem Mittagessen entließ, kam es zu einem kleinen Auftritt.
→The disappointed doctors reported that he was “a malingerer of weak intellect,” and as they discharged him before lunch, it caused quite a little scene.
Schwejk erklärte, wenn man jemanden aus dem Irrenhaus hinauswerfe, dürfe man ihn nicht ohne Mittagessen hinauswerfen.
→Schweik declared that a man cannot be ejected from a lunatic asylum without having been given his lunch first.
Dem Auftritt machte der vom Pförtner herbeigeholte Schutzmann ein Ende, der Schwejk aufs Polizeikommissariat in die Salmgasse brachte.
→This disorderly behaviour was stopped by a police officer who had been summoned by the asylum porter and who conveyed Schweik to the commissariat of police.